1683822621546

Bauen mit Stroh – eine sehr fortschrittliche Bauweise

Strohbauten? Ist das nicht was aus dem Museum? Nö, im Gegenteil. Strohballenhäuser erleben gerade eine Renaissance.

Ein Architekt, der in Deutschland und Frankreich tätig ist, begegnete mir 2021 bei der Jahresveranstaltung des „Forum Holzbau“. Sein Vortrag war überaus faszinierend. Er berichtete davon, dass man in Frankreich recht weit ist beim Thema Bauen mit Stroh. Dort werden sogar Schulen und Kindergärten mit Stroh gebaut. In Frankreich will man mit dem Strohballenbau auch hoch hinaus, so wurde beispielsweise in Saint-Dié-des-Vosges ein achtgeschossiges Haus strohgedämmt und in Passivbauweise errichtet. Übrigens: In Frankreich wurde 1921 das älteste europäische Haus mit Holzständerbauweise und Strohballen fertiggestellt. Es war also an der Zeit, mich intensiver mit diesem nachhaltigen Baustoff zu befassen.

Stroh, ein schnell nachwachsender Baustoff mit hervorragender Ökobilanz

Nachhaltiges Bauen mit Naturstoffen steht hoch im Kurs. Stroh ist ein relativ schnell nachwachsender Rohstoff, der quasi als Nebenprodukt der Landwirtschaft anfällt. Somit wird wenig Energie bei der Herstellung dieses Baustoffs benötigt – eine hervorragende Ökobilanz. Stroh kann im Idealfall direkt beim regionalen Bauern bezogen werden. Das spart nochmal CO2 beim Transport. Ein Strohhaus sieht heutzutage nicht mehr aus wie eine alte Bauernhütte und es hat ausgezeichnete Werte bei Schallschutz und Wärmedämmung. Darum wohnt es sich in einem Strohballenhaus geborgen und gemütlich bei wunderbarem Wohnraumklima.

Gesunde, komfortable, dauerhafte Gebäude aus natürlichen Materialien

Strohballenhäuser werden auch heute noch meist in Verbindung mit der Holzständerbauweise gebaut. Zwischen den Balken werden die zuvor massiv verpressten Strohballen platziert. Diese Methode wird sowohl für die Dachdämmung, als auch für den Bau und die Isolierung der Wände verwendet. Um das Haus vor Wetter und Feuchtigkeit zu schützen, wird Lehm- oder Kalkputz aufgetragen. Das macht die Häuser zudem sehr feuerbeständig. Es gibt sogar Strohballenhäuser, die wegen ihrer sehr guten Dämmeigenschaften eigentlich keine Heizung benötigen. Jedoch wird man einen Holzofen für Notfälle einbauen. Auch die Entsorgung von Stroh ist problemlos: Die Natur zersetzt die Halme innerhalb kürzester Zeit. Aber nur beim Rückbau. Bis dahin schützt der Putz vor Feuchtigkeit und damit vor dem Verrotten sowie vor Schimmel. Und was ist mit Mäusen und Insekten? Die Strohballen werden beim Pressen sehr stark verdichtet. Außerdem schützen der Putz sowie Drahtnetze hinter dem Putz. Wenn hier ordentlich gearbeitet wurde, kommt keine Maus durch.

Brennt ein Strohhaus nicht sehr leicht?

Man könnte vermuten, dass ein Strohhaus leicht entflammbar ist – stimmt aber nicht: Strohballen wurden bereits oft auf Feuerbeständigkeit getestet. Das Stroh in den Wänden ist so stark verdichtet, dass im Innern der Strohballen kein Sauerstoff vorhanden ist – die Flamme erstickt. Verdichtetes Stroh, verputzt mit einer Lehm- oder Kalkschicht, trotz einem Feuer etwa 90 Minuten lang – und erfüllt damit die Vorgaben der Brandschutzklasse F90. Zudem würden sich bei einem Brand weniger giftige Gase entwickeln als bei einem mit Styropor gedämmten Haus.

Für den Dämmstoff Baustroh gibt es eine „Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung“ vom Deutschen Institut für Bautechnik. Somit kann eine Baugenehmigung wie üblich beantragt werden mit ganz normalen Brandschutzauflagen.

Deutsche Strohbautag 2023

Mit meinem Interesse an Strohballenhäusern bin ich nicht allein. Am 6. Mai fand der Deutsche Strohbautag 2023 an der Leuphana Universität in Lüneburg statt. Ein wirklich tolles, umfassendes Programm, in dem sehr viele Aspekte dieser (wieder) aufstrebenden Bautechnik beleuchtet wurden. Nachzulesen auf www.strohbautag.de.

Lüneburg war nicht von ungefähr Gastgeber für dieses Event: Die Stadt in der Heide mit ihrer mittelalterlichen Altstadt ist beim Stroh-Bauen Vorreiter in Deutschland – und stellte stolz gleich drei Leuchtturmprojekte vor:

  • Das aktuell größte strohgedämmte Bauprojekt Deutschlands, die viergeschossige Wohnanlage „querbeet“ mit 40 Wohneinheiten.
  • Das dreigeschossige Gemeinschaftswohnprojekt „Speicherbogen“ mit 20 Wohnungen.
  • Den derzeit entstehenden strohgedämmten Neubau eines Horts. Dies wird der erste kommunale lehmverputzte, strohgedämmte Holzbau in Deutschland sein.

Auch wenn viele Bauleute noch skeptisch sind und/oder Stroh als Baustoff noch nicht auf dem Schirm haben. Bei Holzbau sind wir schon einen Schritt weiter. Holz ist als Kohlenstoffsenker bei den internationalen Klimawandelszenarien des IPCC schon „eingepreist“. Strohgedämmte Gebäude bieten ebenfalls großes Potenzial als besonders langlebige Kohlenstoffsenker. Dann wird Stroh zu Gold!

Das ist geradezu märchenhaft. In welchem Märchen wird Stroh zu Gold gesponnen? Na, wer weiß das?

Hören Sie sich auch das Interview zum Strohbautag 23 in Lüneburg an.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von w.soundcloud.com zu laden.

Inhalt laden